Sieben ERC Consolidator Grants für die ETH Zürich
Sieben ETH-Forschende d¨¹rfen sich ¨¹ber grossz¨¹gige Zusch¨¹sse freuen: Der Europ?ische Forschungsrat (ERC) f?rdert ihre Projekte im Umfang von rund 15 Millionen Franken.
Mit verschiedenen F?rderinstrumenten treibt der Europ?ische Forschungsrat (ERC) besonders kreative und herausragende Projekte voran. Die Consolidator Grants sollen exzellenten Forschenden dabei helfen, ihre Stellung in der Grundlagenforschung zu festigen. Dies geschieht oftmals auch durch den Ausbau ihrer Forschungsgruppen.
Bei der diesj?hrigen Vergabe war die ETH Z¨¹rich zum wiederholten Mal erfolgreich: Sieben Projekte von ETH-Forschenden erhalten einen ERC Consolidator Grant im Umfang von je rund zwei Millionen Franken. Ein weiteres, achtes Siegerprojekt wird an die ETH transferiert. Die nun bewilligten Projekte sind fachlich breit gestreut und befassen sich etwa mit digitalen Ans?tzen f¨¹r eine nachhaltigere Modeindustrie oder mit der Metastasenbek?mpfung bei Brustkrebs. Die Forschenden geh?ren sechs verschiedenen ETH-Ó¢»ÊÓéÀÖn an.
Europ?ische Beziehungen als Grundlage
Nicht nur die absolute Zahl der Siegerprojekte ist erfreulich, sondern auch die ¨¹brigen Werte: 60 Prozent der eingereichten Antr?ge von ETH-Forschenden schafften es in die zweite Runde des Bewertungsverfahrens, und ¨¹ber die H?lfte erhielt einen A-Score, wurde also als grunds?tzlich f?rderungsw¨¹rdig eingestuft. Die Erfolgsquote der ETH-Antr?ge lag mit 35 Prozent deutlich ¨¹ber dem europ?ischen Durchschnitt von 13 Prozent.
Detlef G¨¹nther, Vizepr?sident Forschung der ETH, ist hocherfreut: ?Ich begl¨¹ckw¨¹nsche die Forschenden zu diesem tollen Erfolg. Wir d¨¹rfen stolz darauf sein, dass die ETH bei den ERC-Vergaben regelm?ssig hervorragend abschneidet.? Dass diese wichtigen Forschungsprojekte in diesem Umfang von der EU gef?rdert werden, sei jedoch nicht selbstverst?ndlich, betont er: ?Wir sind darauf angewiesen, dass wir weiterhin am Europ?ischen Forschungsrahmenprogramm teilnehmen d¨¹rfen, damit wir auf diesem hohen Niveau Forschung betreiben k?nnen?. ERC Grants tragen stark dazu bei, dass Forschende aus der Schweiz europaweit sichtbar werden und sich mit erstklassigen Forschenden aus der EU vernetzen k?nnen, ist G¨¹nther ¨¹berzeugt. ?Das muss auch k¨¹nftig so bleiben?.
Die Projekte im ?berblick
Das Innere von biologischen Zellen ist in Organisationseinheiten unterteilt, in denen biochemische Prozesse ablaufen. Wie schon lange bekannt ist, gibt es mit Membranen begrenzte Kompartimente. In den vergangenen Jahren konnten Biologen zeigen, dass zus?tzlich dazu Molek¨¹le im Zellinnern als ?molekulare Klettverschl¨¹sse? f¨¹r eine Fl¨¹ssig-Fl¨¹ssig-Phasentrennung sorgen und so weitere Organisationseinheiten bilden, die membranlos sind. Paolo Arosio ist Professor f¨¹r biochemisches Engineering. Er wird in seinem ERC-Projekt die Wirkungsweise dieser Klettverschluss-Biomolek¨¹le anwenden, um ausserhalb von Zellen eine neue Art von Mikrokompartimenten mit unterschiedlichen massgeschneiderten Eigenschaften herzustellen. Dazu geh?ren auch anpassungsf?hige Kompartimente, die als Reaktion auf Stimuli ihre Zusammensetzung und Materialeigenschaften ver?ndern k?nnen. Sie k?nnten dereinst f¨¹r die Medikamentenforschung eingesetzt werden, um chemische Reaktionen zu vereinfachen oder zur biotechnologischen Herstellung von Medikamenten.
N¨²ria Casacuberta-Arola ist Umweltwissenschaftlerin und eine Spezialistin f¨¹r die Messung der Ozeanzirkulation anhand von Spurenstoffen. In ihrem ERC-Projekt wird sie k¨¹nstliche und nat¨¹rliche radioaktive Tracer kombinieren, um die Str?mungen, Vermischungsprozesse und Zirkulationszeiten von Wasser im Arktischen und im subpolaren Nordatlantischen Ozean zu untersuchen. Die beiden Meere speisen einen der Hauptmotoren des globalen Ozeans, die Atlantische Meridionale Umw?lzzirkulation, und spielen damit eine Schl¨¹sselrolle bei der Regulierung des Erdklimas. Casacuberta-Arola will einige offene Fragen zum Wassermassentransport in der Polarregion und den zugrundeliegenden physikalischen Mechanismen kl?ren.
Die Gruppe von Torsten Hoefler arbeitet an Hochleistungsrechnersystemen. Sie untersucht die Rechnerleistung beim Aufbau von Programmiersystemen und spezifischen Anwendungen f¨¹r die Wetter- und Klimaforschung sowie f¨¹r Deep Learning, einer Methode des maschinellen Lernens. Da Datenwissenschaft und k¨¹nstliche Intelligenz den Bedarf nach mehr Rechenleistung erh?hen, will Hoefler in seinem ERC-Projekt ein produktives und effizientes Programmiermodell entwickeln. Mit diesem soll sich die Rechenleistung in den n?chsten Jahren auch dann weiter erh?hen lassen, wenn sich die Komplexit?t integrierter Schaltkreise nicht mehr zirka alle zwei Jahre verdoppelt (sog. Mooresches Gesetz). Um die Grenzen dieses Gesetzes zu ¨¹berschreiten, sollen beschleunigte Architekturen besser ausgenutzt werden. Ihr Modell basiert auf einer grundlegend neuen r?umlichen Sichtweise, welche die Rechnerstruktur von Anwendungen ber¨¹cksichtigt.
Lucio Isa erforscht neue Materialien und Prozesse auf der Grundlage von Mikro- und Nanopartikeln und komplexer Grenzfl?chen, die sie mit den sie umgebenden Fl¨¹ssigkeiten bilden. Mit seinem Projekt will er eine neue Klasse von Mikropartikeln entwickeln, die ihre Form und ihre Eigenschaften an die Umgebung anpassen, sowie die Art und Weise ihrer Bewegungen und der Wechselwirkungen mit benachbarten Partikeln ?ndern k?nnen. Isa m?chte Mikromaterialien schaffen, die sich wie Mikroorganismen oder robotische Systeme gegenseitig Feedback geben und miteinander kommunizieren k?nnen. Dazu wird er chemische Synthesen und Nanofabrikationstechniken kombinieren. Solche Materialien k?nnten daf¨¹r genutzt werden, um beispielsweise Medikamente im K?rper zu transportieren oder Schadstoffe aus der Umwelt zu filtern.
Martin Pilhofer untersucht mit verschiedenen Bildgebungstechniken die Wechselwirkungen von Zellen. Bereits 2015 erhielt er einen ERC Starting Grant. Mit dem aktuellen Consolidator Grant m?chten Pilhofer und seine Gruppe Methoden der Kryo-Elektronentomografie entwickeln, mit denen sie komplexe Proben aus der nat¨¹rlichen Umwelt analysieren k?nnen. Die Methoden werden sie nutzen, um die Vielfalt und Evolution von Interaktionen zwischen Zellen in mikrobiellen ?kosystemen zu erforschen. Mikrobenpopulationen sind genetisch erstaunlich vielf?ltig. Pilhofer will die Kryo-Elektronentomographie als Werkzeug etablieren, um bei Bakterien bisher unbekannte molekulare Strukturen und deren Funktionen aufzusp¨¹ren.
Wie kann man massgeschneiderte, modische Kleidungsst¨¹cke am Computer entwerfen, die zugleich optimal zu den individuellen K?rpermassen einer jeweiligen Person passen? Diese Frage untersucht Olga Sorkine-Hornung mit ihrer Gruppe am Interactive Geometry Lab, das auf dem Gebiet der Computergrafik forscht. In ihrem ERC-Projekt befasst sie sich mit der digitalen 3D-Modellierung und Herstellung von Kleidungsst¨¹cken. Das Ziel ist es, neue, computergest¨¹tzte Designwerkzeuge f¨¹r Fachpersonen in der Textil- und Bekleidungsindustrie zu entwickeln. Das angestrebte Ergebnis sind Algorithmen und Software, die den ?bergang von der Massenproduktion mit standardisierten Kleidungsgr?ssen zu massgefertigten Kleidungsst¨¹cken unterst¨¹tzen, die jedem Individuum perfekt passen. Insofern die digitalen Kleidungsdesigns auf Bestellung erfolgen und automatisch angepasst werden, lassen sich auch nat¨¹rliche und humane Ressourcen einsparen.
Die Populationsdynamik befasst sich mit der Ausbreitung biologischer Populationen ¨¹ber die Zeit und in geografischen R?umen. Darunter fallen sehr unterschiedliche Vorg?nge wie zum Beispiel das Entstehen und Aussterben von Arten, die Verbreitung von Krankheitserregern, die Entwicklung einer befruchteten Eizelle zu einem Organismus oder die Entartung von Zellen zu Tumoren. ETH-Professorin Tanja Stadler m?chte in ihrem ERC-Projekt die fundamentalen Regeln solcher populationsdynamischen Prozesse ergr¨¹nden. Sie wird sich dabei vor allem der mathematischen und statistischen Auswertung von genetischen Stammb?umen bedienen. Dabei sollen neue, sogenannte phylodynamische Modelle entstehen. In der Evolutionsforschung und Epidemiologie werden solche Modelle grunds?tzlich schon angewandt. Stadler m?chte ihre Modelle nun auch ausserhalb dieser Bereiche etablieren, insbesondere im Bereich der Entwicklungsbiologie.
An die ETH Z¨¹rich transferiertes Projekt:
Wie bei vielen anderen Krebsarten muss man auch bei Brustkrebs zwischen prim?rem Tumor und Ablegern dieses Tumors unterscheiden. Bei einigen Patientinnen sondern sich Zellen aus dem Tumor ab, dringen in die Blutgef?sse ein, verbreiten sich so und bilden andernorts im K?rper Ableger. Es sind vor allem diese Metastasen, welche ung¨¹nstige Krankheitsverl?ufe verursachen, die mit dem Tod enden k?nnen. Nicola Aceto ist derzeit Professor an der Universit?t Basel. Er wird Anfang 2021 an die ETH Z¨¹rich wechseln und in seinem ERC-Projekt die Mechanismen ergr¨¹nden, wie Brustkrebszellen in Blutgef?sse eindringen k?nnen. Darauf basierend m?chte Aceto neue Methoden entwickeln, welche Krebszellen daran hindern, sich vom prim?ren Tumor zu l?sen. Langfristig besteht das Ziel, die Ausbreitung von Brustkrebs ¨¹ber Metastasen therapeutisch aufzuhalten.
Messlatte f¨¹r Spitzenforschende: ERC Grants
ETH-Forschende bewerben sich seit 2007 erfolgreich um F?rdermittel der Europ?ischen Union, die ERC Research Grants. Neben den Consolidator Grants vergibt der Europ?ische Forschungsrat allj?hrlich auch Starting Grants f¨¹r Nachwuchsforscher zu Beginn ihrer Karriere, Advanced Grants f¨¹r etablierte Forscherinnen und Forscher sowie und Synergy Grants zur F?rderung von innovativen Forschungszusammenarbeiten. Der Europ?ische Forschungsrat ist Teil des europ?ischen Forschungs- und Innovationsprogramms ?Horizon 2020? (2014-2020). Das Nachfolgeprogramm ?Horizon Europe? (2021-2027) ist noch in Erarbeitung.